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Finnland – wir kommen schon bald wieder !

Rückblick und Vorblick

Nach wunderschönen, ruhigen und erholsamen Sommerferien im Sommerhaus und in Helsinki sind wir gut ins neue Schuljahr in Deutschland gestartet. Mittlerweile hat sich gut alle eingespielt, die Erstklässlerin gewöhnt sich auch so langsam an den neuen Schulalltag und der Jüngste merkt, dass er auch ohne große Schwester bestens im Kindergarten zurecht kommt.

Schon seit einiger Zeit treiben wir Eltern uns mit dem Gedanken umher, ob – und wenn ja – wann, wir möglicherweise wieder einen längeren Aufenthalt in Helsinki einplanen. Als ein günstiger Zeitraum kristallisierte sich die Zeit nach Weihnachten 2016/17 hervor, keine Einschulung, keine Klassenfahrt, keine anderen wichtigen Feiern oder Ereignisse, die die Kinder nicht verpassen sollten.

In zwei Ländern zuhause – Fluch und Segen zugleich

Apropos verpassen…

Viele Gedanken haben wir uns darüber gemacht, ob es den Kindern schadet, wenn sie durch einen Auslandsaufenthalt in Deutschland was verpassen sollten, welche Bedeutung man welchen Dingen beimisst, usw. Wir haben kritisch hinterfragt, aus welchem Motiv  heraus wir die Entscheidungen treffen, ob es aus der Perspektive jedes Kindes eine sinnvolle Aktion ist. Wir sind rasch zu dem Ergebnis gekommen, dass man, um etwas anderes zu erleben, immer auch woanders etwas verpasst, nie überall gleichzeitig sein kann, und ein Optimieren nur bis zu einem gewissen Grad möglich ist. Für uns stellte sich auch die Frage, ob ist es überhaupt schlimm sei, zuhause etwas zu verpassen, oder ob die Bereicherung durch die wachsende Verbundenheit zu Finnland und die vielen bewegenden Erlebnisse überwiegen? Für uns ist es ein eindeutiges: ja! Für unsere Umgebung ist das allerdings nicht unbedingt alles so nachvollziehbar.

Reaktionen

Die Reaktionen auf unser Vorhaben sind sehr unterschiedlich. Viele sind sehr interessiert und finden es toll, manche reagieren verwundert oder gar verunsichert. Oft werden wir gefragt, wie so ein Auslandsaufenthalt mit schulpflichtigen Kindern überhaupt möglich ist. Da die Kinder in Helsinki eine entsprechende (Waldorf-) Schule besuchen, verpassen sie zwar bestimmte Unterrichtsinhalte, erfahren dafür aber andere. Sie haben mittlerweile gute Kontakte zu ihren Klassen und Mitschülern dort aufgebaut, werden erwartet, herzlich aufgenommen und gehören dazu. Auch wenn viele Faktoren am finnischen Schulsystem sehr fortschrittlich erscheinen und auch unsere Erfahrungen durchweg sehr positiv sind, ist der Aufenthalt dort kein Entfliehen vor Themen des normalen (Schul-) Alltags in Deutschland, sondern ein zusätzlicher Erfahrungsschatz, der den Kindern zeigt, wie unterschiedlich man Dinge machen kann. Selten gibt es im Leben irgendwo den Ort oder das Land wo alles am besten ist. Es sind vielmehr die verschiedensten Faktoren, die hier oder dort gut sein können und dies ist aus den unterschiedlichsten kulturellen, geographischen oder sonstigen Faktoren begründet. Ganz nebenbei lernen die Kinder Finnisch, lernen sich in neuen Situationen, in einer „fremden“ Sprache, einer unbekannten Klassengemeinschaft zurecht zu finden, entwickeln das Vertrauen wundervoll angenommen zu werden und verbinden sich durch die positiven Erlebnisse emotional mit Land in einer Weise, wie man es anders kaum schaffen könnte. Also, nicht Träumen, sondern los!


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Was ist Heimat?

Nach den ersten anstrengenden Tagen der Orientierung und Eingewöhnung in Deutschland, sind wir nun nach einigen Wochen wieder einigermaßen eingelebt. Auch wenn nach Außen hin Normalität eingekehrt zu sein scheint, habe ich das Gefühl, dass die Erlebnisse von Finnland noch in uns allen „arbeiten und wirken“.

Seid ihr hier wieder gut angekommen? Erzähl dann ein anderes Mal mehr…

Ich hatte mal von einer Bloggerin gelesen, die eine Weltreise mit ihrer Familie gemacht hatte. Sie beschrieb, dass nach der Reise sie nur wenigen Menschen über ihre Erlebnisse sprechen konnte. Außer der häufig gestellten Frage, was der tollste Ort war, den sie besucht hatten, konnten die Menschen kaum verstehen, was sie wirklich erlebt hatten. Ein bisschen fühle ich mich auch so. Alle fragen, ob man gut wieder angekommen ist, aber wenn ich beginne zu erzählen, blocken viele das Gespräch recht schnell ab, die essentiellen Erlebnisse wollen nur wenige hören. Vielleicht ist es ja auch zu viel verlangt, aber erstaunlich finde ich schon, dass viele gar nichts hören wollen und gleich abwinken: naja, ist ja eh alles anders und kann man nicht nach hier übertragen. Dabei geht es mir ja gar nicht nur um ein Vergleichen mit den simplen Rückschlüssen wo ist was besser, sondern Ideen und Anregungen, die sicherlich nicht eins zu eins übernommen werden können und sollen, aber dennoch Impulse sein könnten Dinge zu hinterfragen.

Zwei Sprachen, zwei Pässe – Sehnsucht nach der Heimat

Die Kinder haben durch ihren familiären Hintergrund die Möglichkeit zweisprachig aufzuwachsen und zwei Länder zu kennen. Nach dem langen Aufenthalt in Finnland erleben sie nun auch das Gefühl von Sehnsucht und der Frage: was ist eigentlich Heimat? Dieses Gefühl ist Menschen, die in anderen Ländern verwurzelt sind, sicherlich nicht unbekannt. Man sehnt sich immer nach dem Land wo man gerade nicht ist, egal in welchem man gerade ist, man fühlt sich zwar bestens integriert und dazugehörig, ist aber immer etwas anders als die „Einheimischen“.

Diese Gefühl haben nun auch unsere Kinder kennengelernt und es macht sie etwas nachdenklich. Ständig werden sie gefragt, ob es schön ist wieder „Zuhause“ zu sein, ein Kind antwortete noch immer trotzig und beharrlich mit NEIN. Fast täglich kommt von einem der Kinder die Frage, warum wir nicht in Finnland geblieben sind. Die Kinder haben sich wohlgefühlt, da gab es für sie keinen Grund das Land zu wechseln. Das bedeutet nicht, dass sie sich hier in Deutschland nicht wohlgefühlt haben und auch wieder werden, aber es zeigt auch, wie schnell sich Kinder wo anders eingewöhnen und Finnland ihnen vertraut geworden ist.

Smalltalk & Servicekultur – Die Unterschiede fallen auf

Noch etwas benommen vom „Umzug“ bin ich das erste Mal in unseren Bio-Supermarkt einkaufen gegangen. Riesig habe ich mich auf die regionalen Bio-Produkte gefreut, in Finnland hatte ich mangels gutem Angebot und wegen zu hoher Preise unsere Ernährung mit Bio aufgegeben. Ich wurde hier von eine Verkäuferin so freundlich empfangen, das es mich sehr gerührt hat. Auch der Smalltalk, den man in Deutschland fast überall einfach so auch mit fremden Leuten führen kann, ist mir wieder positiv aufgefallen. Ein kleines Pläuschchen bei den Orangen, einfach nett. Umso mehr hat mich dann der Besuch eines Drogerieladens in der Innenstadt schockiert, in dem ich bereits VOR Ladenschluss von einer aufgeregten Angestellten sehr vehement und nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass der Laden gleich schließt und ich jetzt bloß keinen Fotobestellvorgang oder ähnliches mehr beginnen dürfte…. Huh.. das ist in Finnland aber ganz anders! Dort haben die Ladentüren bis Punkt offen, der Kunde kann bis dahin rein und einkaufen bis er fertig ist. Durchsagen machen darauf aufmerksam, dass der Laden schließt, aber man kann in Ruhe fertig machen und hört nicht schon ne halbe Stunde vor Ladenschluss das Münzenklappern, wenn die ersten Kassen schließen und schon rechtzeitig ihr Geld zählen. Auch der aus Finnland mir gewohnte Blickkontakt und Begrüßung z.B. an der Supermarktkasse habe ich in Deutschland wieder vermisst. Auch wenn sich in Deutschland in den vergangenen Jahre in dem Bereich viel getan hat, spürt man allzu oft den Frust der Verkäuferinnen und hört noch immer mal den Spruch, dass sie doch auch mal Feierabend haben wollen. In Finnland undenkbar.

Das Wetter

Spannend finde ich auch das Thema Wetter. Für uns war es noch nie von besonderer Bedeutung, wir sind schon immer bei Wind und Wetter mit den Kindern draußen gewesen und Regen, Schneematsche und dunkle Wintermonate haben unser Gemüt noch nie sonderlich belastet. Für viele Menschen spielt das Wetter aber eine große Rolle. So wurden wir auch vor unserer Abreise gewarnt, wir sollten uns auf einen schrecklich verregneten und grauen Herbst in Finnland gefasst machen, nur um so eine realistische Vorstellung zu bekommen. Naja, wir hatten zugegebenermaßen vielleicht etwas Glück mit dem wunderschönen Spätsommer und Herbst dieses Jahr in Finnland gehabt. Dadurch hat es noch mehr Spaß gemacht Ausflüge und andere Unternehmungen zu machen. Ich behaupte aber, dass auch ein regenreicherer Herbst uns nicht die Stimmung vermiest hätte und wir genauso positiv Finnland erlebt hätten.

Außerdem haben wir nach unserer Rückkehr bereits sehr trübe und regnerische Tage hier in Deutschland gehabt, an denen die Sonne kaum aufzugehen schien. Die Temperaturen sind sogar in Deutschland kühler gewesen als in Helsinki, der erste Schnee gleichzeitig wie in Südfinnland…Also so groß sind die Unterschiede dann auch nicht;)

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Wir haben heute ganz viele „muurahainen-Haufen“ gesehen!

…mein Jüngster bei der Abholung von seiner Waldgruppe heute.

Das ist schon sehr faszinierend, wie Kinder Sprachen lernen, einfach so, und ganz von selber. Nach wenigen Wochen plappern und Singen unsere ‚Kleinen‘ vor sich hin, ohne dass ihnen bewusst ist, das das Finnisch ist. Die ‚Großen‘ haben sich von Anfang an bestens zurecht gefunden und keine Hemmungen gehabt in ihre neuen Klassen und andere neue und für sie fremde Situationen zu gehen.

L fragte mich vor ein paar Tagen, ob ich für ihn ein Fußballtraining organisiert hätte. Ich antwortete, dass er sich ja vor unserer Reise nicht sicher war, ob er das wollte, und ich es daher bisher nicht forciert habe. Darauf er: „Naja, ich wusste ja nicht wie schnell ich Finnisch lernen würde“. Nun hat sich bezüglich des Fußballs in der Zwischenzeit auch was ergeben, in der Schule werden nämlich nachmittags Kurse und Aktivitäten angeboten, unter anderem Ballsportarten beginnend mit Fußball.

Deutlich merkt man es den Kindern an, dass die neuen Umgebungen, die vielen neuen Eindrücke und der gewaltige sprachliche Input auch sehr anstrengend sind. Zwar versuche ich auch zuhause die Sprache weiter aktiv zu benutzen, merke aber besonders bei den Kleinen, dass sie teils ablehnend reagieren und ganz deutlich das Bedürfnis haben sich erst einmal sprachlich frei ausdrücken zu können. Nach einer gewissen Zeit fangen sie dann aus sich heraus an finnische Liedchen zu singen und nach Wörtern zu fragen, woran ich dann gut anknüpfen kann.

Ich habe das Gefühl, die Wochen vergehen unheimlich schnell, und möchte am liebsten die Zeit anhalten. Ich war etwas vorsichtig, was die Planung der Aufenthaltsdauer hier betrifft – wir konnten es ja vorher nicht abschätzen, wie es uns allen hier gehen wird – und fast 4 Monate hielt ich für eine auf jeden Fall positive und durchführbare Zeit. Naja, wir werden es in einigen Wochen sehen, wie wir den Zeitraum dann bewerten, vielleicht sind wir auch einfach froh wieder nach Hause zu kommen, oder wir verlängern noch ganz spontan;)

Es regnet in strömen bei etwas über 10 Grad, aber ansonsten geht es uns super!